Das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Verbundensein

Polyvagaltheorie - Resilienz ist lernbar

Mit der Polyvagaltheorie hat Stephen W. Porges im ersten Schritt vor allem die Welt in der Traumatherapie revolutioniert.

Mittlerweile ist sein Wissen rund um das Thema Stressverhalten und Resilienz etabliert und auch schon in einigen Unternehmen als wertvolles Tool für den Arbeitsalltag intergriert.

Durch die salutogene Sichtweise der Polyvagaltheorie eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, die eigenen kleinen oder großen Traumata, die enorme Stressoren für dein Nervensystem sein können, zu erkennen und damit liebevoll umzugehen.
Dies geht in kleinen und realistischen Schritten, die so individuell sind, wie du und dein Leben. Wichtig ist hier, dabei zu lernen, nicht über die eigenen Grenzen zu gehen und somit nicht das eigene Nervensystem zu überfordern.

Wir Menschen sind wahre Adaptionswunder! Wir können uns an die widrigsten Umstände, sei es extreme Kälte, Wärme, Hungerszeiten, psychische Gewalt in jeder Facette anpassen. Hier hat unser Nervensystem die Hauptrolle inne. Es ist ständig am checken, ob die Umgebung um uns herum sicher ist, ob wir hier gut sein und entspannt können oder ob Gefahr im Verzug ist. Müssen wir kämpfen oder flüchten oder sogar in eine Art Todesstarre verfallen, damit wir hier überleben.

Stephen W. Porges hat während seiner Forschungen mit der Herzratenvariabilität (HRV) im Bereich des Nervensystems und seiner Reaktionen auf Stress festgestellt, dass wir uns bei Stress im Sympathikus befinden und bei dem Gefühl von Sicherheit und Entspannung im Parasympathikus (wie bereits bekannt), es aber noch einen dritten Zustand im Nervensystem gibt, indem wir uns in einer Art Schockstarre befinden.
Der Vagus (der 10. Hirnnerv) ist der wichtigste Teil des Parasympathikus.
Dieser besteht aus einem hinteren, dem Rücken zugewandten (dorsalen) Teil, der dafür sorgt, dass wir bei akutem Stress in eine Schockstarre, bei chronischem Stress in Ohnmachtsgefühle und Handlungsunfähigkeit fallen und dem vorderen, dem Gesicht und Herzen (ventral) zugewandten Teil. Wenn wir uns in diesem Teil des Nervensystems befinden, fühlen wir uns entspannt, wohl mit uns und unserem Körper und können authentisch und offen in Begegnungen und Beziehungen mit anderen Menschen sein.

Die meiste Zeit in der Menschheitsgeschichte hatten wir nur akuten Stress (das Wort Burnout gibt es z.B. erst sein den 1960er Jahren) und deutlich weniger Reize zu verarbeiten als in den letzten Jahrzehnten. Bedenke man, dass zu Goethes Zeiten ein Mensch in einem Jahr soviel Reize aufgenommen hat wie wir heute in einer Woche. Das sind komplett neue Herausforderungen, sowohl für unseren Körper und insbesondere für unser Nervensystem, sich an diesen chronischen Stress irgendwie anzupassen. Das haben wir Menschen in dieser kurzen Zeit erstaunlich gut hinbekommen. Dass unsere moderne und sympahtikotone Lebensweise mit einer enormen Zunahme an Depressionen, Burnout und psychischer Erkrankungen vielerlei Art einhergeht, ist eigentlich nicht verwunderlich. Das Nervensystem der meisten Menschen ist ständig in Habachtstellung und ahnt nicht mal mehr, wie sich eine sichere und entspannte Umgebung anfühlen könnte. Dazu kommt dass unser Gehirn Angst vor Neuem und Unbekannten hat. Das bedeutet in diesem Falle, Entspannung und Ruhe ist unserem Nervensystem nicht geheuer und daher kann es zu einer "Sucht nach Stress" kommen, als eine Art Überlebensmechanismus im Dschungel des modernen Lifestyles.

der Vagusnerv

Foto adobeStock (c) Axel Kock

Polyvagaltheorie und autonomes Nervensystem

Unser autonomes (unbewusstes) Nervensystem besteht aus dem dorsalen Vagus (Schockstarre), dem Sympathikus (Kampf- oder Fluchtmodus) und dem ventralen Vagus (Entspannung und Regeneration). Wenn wir uns im dorsalen und /oder Sympathikus befinden, sind wir aus Sicht des Nervensystems im Überlebensmodus und fühlen und erleben uns neben uns stehend bis außerhalb des Körpers. Erst im ventralen Vagus erleben wir uns präsent, rundum wohl in unserer Haut, lebendig und vital.

Bis Anfang 40 war ich selbst im Stresskarussel gefangen und kannte den Zustand von nachhaltiger Entspannung so gut wie gar nicht. Mein Kopf fühlte sich fast immer wie heißgelaufen an und eher wie ein großes Gedankenknäuel. Dann hat mein Körper deutlich gesprochen und mir eine Auszeit von fast 3 Monaten verordnet, die ich auch akzeptierte und das Beste daraus machte. Das war nicht einfach, aber sehr heilsam. Die wichtigste Frage, die ich mir in dieser Zeit gestellt habe, war: “Wer bin ich ohne meinen Beruf, was entspricht meinem innersten Wesenskern?” Meiner Meinung nach eine Frage, die sich jeder stellen sollte. Für mich war sie der Schlüssel dazu, nachhaltig zu entschleunigen, den Erfolg im Außen nicht mehr so wichtig zu nehmen, sondern meine Gesundheit und was ich wirklich in meinem Leben leben möchte. Und da geht es nicht um die Berufung, sondern um die vielen kleinen Dinge, die Momente, in denen du dich mit allem verbunden und im Hier und Jetzt fühlst, da wo alles gut ist, so wie es gerade ist.

Seitdem ich aus dem Funktionsmodus des täglichen Stresskarussels ausgestiegen bin, merke ich erst, wie ungewöhnlich das für die meisten Menschen in meinem Umfeld ist (war es davor für mich ja auch). Wie viel schneller doch alle drehen, scheinbar viel erledigen und erleben… und hier passt ein Satz, den eine Freundin von mir mal formuliert hat: “Überall dabei, nur nicht bei sich selbst.” Dieser Satz bestätigt die Weisheiten aus der Polyvagaltheorie, dass du bei zuviel Stress deine eigene Mitte, deine eigene Balance und schlussendlich dich selbst verlierst.

Möchtest du dich wieder selber spüren, mit allem was jetzt da und vielleicht noch zu entdecken ist, dann empfehle ich dir, dich mit der Polyvagaltheorie zu beschäftigen. Mehr dazu demnächst in meiner selfCARE Academy oder ganz persönlich für dich in meinen Einzelsessions.

Literaturtipp: Deb Dana - Die Polyvagaltheorie in der Therapie; Gopal Norbert Klein - Der Vagusschlüssel zur Traumaheilung

Zurück
Zurück

Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) für Zeiten des Wandels

Weiter
Weiter

Johanniskraut (Hypericum perforatum)